Ein Problem: Straßentiere (Проблéма: у́личные живо́тные)

Veröffentlicht am 7. November 2023 um 10:37

Das beschäftigt mich vielleicht seit meiner frühen Kindheit, da ich schon immer sehr tierlieb war und mich schon als Kind ziemlich oft für die Straßentiere einsetzte. Warum gibt es streunende Katzen und Hunde in Russland?

 

Wahrscheinlich aus verschiedenen Gründen. Einer vor ihnen ist bestimmt die gigantische Größe des Landes. Vermutlich ist es nicht so einfach, die Situation mit den herrenlosen Tieren unter Kontrolle zu halten… Ein weiterer Grund besteht darin, dass es bei uns leider, leider auch herzlose Menschen gibt, die sich vor allen Dingen um ihren Komfort kümmern und ihre eigenen Haustiere zum Beispiel im Herbst bei dem Ferienhaus zurücklassen oder auch in der Stadt aussetzen können.

 

  • кóшка - Katze

 

Zum Glück gibt es in Russland ebenfalls jede Menge echte Helden, die mit Inbrunst und manchmal mit erstaunlicher Selbstaufopferung ihre Freizeit den Tieren widmen. Das sind Volontäre, die Tiere retten, behandeln lassen und neue Besitzer für sie suchen. Mit einer Volontärin, Anna, bin ich glücklicherweise gut befreundet. Von ihr bekomme ich regelmäßig zuverlässige Informationen über den aktuellen Stand der Dinge.

 

Anna ist ein sehr sympathischer, äußerst herzlicher, intelligenter, vielseitig interessierter Mensch. Sie spricht übrigens fließend Deutsch, da sie 26 Jahre bei dem Goethe-Institut in Moskau arbeitete. Zusammen mit ihren Gleichgesinnten beteiligt sich Anna an zahlreichen kleinen und großen Tier-Rettungs- / Behandlungs- / Unterbringungsprojekten sowie an verschiedenen Aktionen für Tierschutz und Tierrechte.

 

Nachdem ein herrenloses Tier gefunden und auskuriert worden ist, machen Volontäre Werbung, um ein neues Zuhause für es zu finden. Es gibt sogar spezielle Ausstellungen, an denen Volontäre in ihrer Freizeit teilnehmen, um den Interessierten die Tiere zu zeigen (sehen Sie die Fotos). Ein potenzieller neuer Besitzer bekommt das Tier nur, wenn er imstande ist, den Vierbeiner richtig versorgen zu können, ein Vertrag wird unterschrieben. In der ersten Zeit bleiben die Volontäre mit dem neuen Besitzer des Tiers in Kontakt – sie erhalten nämlich Bilder, die zeigen, wie es dem Tier in seinem neuen Zuhause geht. Die Geschichten, die Anna mir erzählt, sind immer sehr rührend. Ein Beispiel: Das neue Herrchen der grauen Katze, Dina (Ди́на), hat Anna geschrieben: «Wir brauchen uns einfach, das Schicksal selbst hat uns zusammengebracht». Nun verbringen die beiden sogar Fernsehabende zusammen (sehen Sie die Fotos).

 

Wer finanziert die ganze Arbeit? Meistens die Volontäre selbst. Es gibt aber auch andere Organisationen und Fonds (zum Beispiel diesen https://fond-vsem-mirom.ru/), die sich ebenfalls mit den Straßentieren befassen und eventuell den Volontären helfen, beispielsweise mit dem Geld für Kastration/Sterilisation beziehungsweise für medizinische Behandlung.

 

«Es gibt viele Probleme, viele Tiere, die Fonds haben wenig Geld», erzählt Anna. «Wir handeln aber alle zusammen, Volontäre helfen einander». Tierheime gibt es in Russland natürlich auch. «Einige sind sehr schlecht, die anderen - sehr gut». Ein Beispiel eines sehr guten Tierheims ist das von einer bekannten Persönlichkeit, die Ilona Bronewitskaja heißt.

 

Eine große Hilfe sind heutzutage soziale Netzwerke, dank deren es nicht nur in Moskau, sondern auch überall in Russland oft möglich ist, schnell und effektiv den Tieren zu helfen. Anteilnahme und Herzlichkeit spielen ebenfalls eine große Rolle. Es gibt Gott sei Dank viele herzliche Menschen in Russland. Als gutes Beispiel dafür möchte ich hier eine Familiengeschichte anführen, die auch ich (aus der Ferne) indirekt miterlebt habe.

 

Vor einem Monat haben meine eigene Cousine Lena (Лéна) und ihre Tochter Mascha (Ма́ша), die bei Nowgorod wohnen, einen Beitrag in den sozialen Medien gelesen. Es ging um ein kleines Kätzchen, das von einer Rentnerin auf der Straße gefunden wurde. Das arme Tierchen war krank und verzweifelt, wollte unbedingt überleben und brauchte dringend tierärztliche Hilfe. Für die Untersuchung konnte die Rentnerin gleich bezahlen, es stellte sich aber heraus, dass eine stationäre Behandlung notwendig war, die eine Woche lang dauern musste. Darüber hinaus konnte die Rentnerin das Kätzchen nach der Behandlung nicht adoptieren, da sie schon 5 Katzen und 2 Hunde hatte… Und die Restzahlung konnte sie erst viel später bezahlen, nachdem sie monatliche Rente bekommen hat. Die Tierpraxis war bereit, zu Gunsten der Kundin und des kleinen Patienten von den festen Regeln abzuweichen – in Russland ist so etwas manchmal möglich, - und fing mit der Behandlung an.

 

Die Volontäre, die davon erfahren hatten, riefen die guten Menschen an: Hilfe! Jedes bisschen hilft! Das kleine Wesen braucht jede Unterstützung, unter anderem Feuchtfutter für Kätzchen. Und vor allem: ein Zuhause. Das arme Tierchen hat sich so bemüht, am Leben zu bleiben, dass es sogar innerhalb von drei Tagen gelernt hat, aufs Katzenklo zu gehen…

 

Viele unsere Menschen helfen anderen sehr gerne, auch kompletten Fremden, oft ohne darüber lange nachzudenken. Wenn auch man kann, schickt man den Bedürftigen Geld, soviel man kann, auch wenn man selbst wenig hat. Unser Bankensystem funktioniert Gott sei Dank so schnell, dass die Überweisung den Empfänger normalerweise in wenigen Sekunden erreicht, auch am Wochenende. Mit den Kosten für die Behandlung und die anderen notwendigen Dinge wurde der Rentnerin also gleich geholfen. Aber ein Tier zu adoptieren?..

 

  • котёнок - Kätzchen

 

Lena und Mascha sind ganz und gar nicht wohlhabend und hatten schon selbst einen Kater, eine Hündin und zwei Ratten… Das schwarze, rassenlose Hündchen haben sie in der Corona-Zeit auf gleiche Art und Weise gerettet und kümmern sich seitdem liebevoll um die Hündin sowie um ihre anderen Vierbeiner. Was haben sie denn gemacht, nachdem sie von dem kleinen Kätzchen erfahren haben? Sie sind gleich zur Tierpraxis gefahren und haben das Kätzchen adoptiert (sehen Sie die Fotos)...

 

Meine unendlich lieben, mitleidsvollen, mitfühlenden Verwandten!.. Sie konnten den hilfesuchenden Medienbeitrag einfach nicht ignorieren. Das wundert mich aber nicht so sehr, da auch meine Tante Lida (Ли́да), Lenas Mutter, schon immer für die Straßentiere gesorgt und sie regelmäßig gefüttert hat. Allein der Gedanke daran, dass es solche Herzlichkeit auf der Welt gibt, erfüllt mein Leben mit so viel Sinn.

 

Es gibt also in Russland unter anderem das Straßentier-Problem. Man muss daran selbstverständlich weiterarbeiten. Jeder sollte sich vielleicht fragen: Kann ich persönlich irgendetwas tun, um das Leben in meinem Land zu verbessern? Man sollte vielleicht stets versuchen, die besten von uns als Vorbild zu nehmen. Und Menschlichkeit, Herzlichkeit und Mitgefühl können so gut wie Wunder schaffen, nicht wahr? Ich persönlich bin fest davon überzeugt.

 

BETEILIGUNG DES STAATS:

Der Staat beteiligt sich an der Lösung des Straßentier-Problems natürlich auch, aber die Gelder, die für diesen Zweck zugewiesen sind, reichen leider nicht aus. Herr Burmatow aus dem Umweltgremium in unserem Parlament, das die Staatsduma (Госудáрственная Дýма) heißt, beschäftigt sich mit den Problemen der streunenden Tiere. In den Städten mit tüchtiger Regierung werden zum Beispiel die herrenlosen Hunde kastriert und sterilisiert, weswegen die Anzahl der Tiergruppen, die manchmal gefährlich sein können, wesentlich reduziert wird. Ein sterilisiertes Tier bekommt einen speziellen Ohrclip.

 

Wenn Sie mit mir Russisch lernen möchten, melden Sie sich einfach bei mir!

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